Formvollendet

Wie eine kleine Änderung im Gesetz wichtige Vertragsklauseln unwirksam macht – und warum dies kaum jemand mitbekommt

Alle Verträge, die zur mehrfachen Verwendung vorgesehen sind, unterliegen den rechtlichen Regelungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Eine wenig beachtete Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) kann hier zur Unwirksamkeit von Klauseln und Vorgaben in Verbraucher- und Arbeitsverträgen, aber auch Datenschutzerklärungen sorgen.

Von Stefan Jaeger, Wiesbaden

Wer würde vermuten, dass im „Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts“ vom Februar 2016 eine Änderung bestehender gesetzlicher Regelungen versteckt ist, die für fast alle Unternehmen weitreichende Folgen haben wird? Tatsächlich ändert dieses Gesetz Vorschriften im BGB, die regeln, welche AGB-Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit unwirksam sind – und zwar derart, dass man nunmehr klauselmäßig nur noch geringere Ansprüche an die geforderte Form von Erklärungen stellen darf.

In den letzten Jahren ist es immer wieder vorgekommen, dass Verbraucher Verträge, die sie über das Internet geschlossen hatten, später wieder kündigen wollten und zu diesem Zweck eine E-Mail an das beauftragte Unternehmen schrieben. Solche Kündigungen wurden häufig nicht akzeptiert – mit der ärgerlichen Folge, dass der Verbraucher womöglich eine Frist versäumt hat und damit wieder ein Jahr länger an den betreffenden Vertrag gebunden blieb. Unternehmen verwiesen dabei gern auf ihre AGB, sofern diese Kündigungen in Schriftform fordern (vgl. § 126 BGB) – etwa per unterschriebenem Brief.

Es erschien jedoch immer weniger zeitgemäß, dass man sich zwar durch einen einfachen Klick auf einer Internetseite vertraglich verpflichten konnte, der Anbieter aber in seinen AGBs nur eine Klausel „verstecken“ musste, damit für die Kündigung die Schriftform nötig ist.

Bonus für Verbraucher

Mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 hat der Gesetzgeber daher das BGB dahingehend abgeändert, dass in allgemeinen Geschäftsbedingungen (also nicht dort, wo notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist) keine strengere Form als die Textform verlangt werden darf (§ 309 Nr. 13 b BGB). Somit genügt es bei neueren Verträgen, eine E-Mail zu senden oder ein Fax zu übertragen, um eine Erklärung wirksam abzugeben – selbst eine SMS reicht.

Wurde in praktisch allen Verträgen in der Vergangenheit fast automatisch für Erklärungen jeglicher Art die Schriftform gefordert, ist dies nun nicht länger möglich – mehr als die Textform darf man nicht mehr verlangen. Alle Vertragsvorlagen müssen daher entsprechend angepasst werden. Wichtig ist dabei, dass die neue Regelung alle Verträge betrifft, die ein Unternehmen mit einem Verbraucher abschließt, sei es als Kunde oder auch als Mitarbeiter.

Arbeitsverträge prüfen!

Arbeitsverträge enthalten häufig zum Schutz des Unternehmens Ausschlussfristen, innerhalb derer ein Mitarbeiter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegen das Unternehmen schriftlich geltend machen muss, da sie ansonsten verfallen. In langjähriger Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht solche Ausschlussklauseln als zulässig erachtet, wenn die Frist mindestens drei Monate beträgt. Eine solche Regelung im Arbeitsvertrag ist natürlich äußerst günstig für das Unternehmen, denn ansonsten würde die dreijährige Verjährungsfrist gelten – daher findet man solche Klauseln auch in praktisch allen Arbeitsverträgen.

Ein Beispiel: Stellt ein gekündigter Mitarbeiter erst nach vier Monaten fest, dass ihm noch Gehalt fehlt oder er noch Urlaubstage offen hat, war dieser Anspruch verwirkt, wenn er sich nicht innerhalb der vereinbarten Drei- Monats-Frist schriftlich an den Arbeitgeber gewandt hatte.

Werden solche Klauseln für neu abzuschließende Verträge nicht den aktuellen gesetzlichen Anforderungen angepasst, sind sie auf jeden Fall unwirksam – mit der Folge, dass ein Mitarbeiter theoretisch auch mündlich sein Gehalt nachfordern dürfte, solange dies innerhalb der drei Monate passiert. Denn die Frist wäre ja gewahrt. Es gibt sogar einige Stimmen in der Literatur, denen zufolge die gesamte Ausschlussklausel als unwirksam anzusehen wäre – damit wäre eine festgehaltene dreimonatige Frist vom Tisch und der Arbeitgeber würde wieder auf die dreijährige Verjährungsfrist zurückfallen.

Für eine Kündigung von Arbeitsverträgen (!) kann indessen weiterhin ein Schriftformerfordernis vereinbart bleiben, denn § 623 BGB schreibt dies zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag für die Wirksamkeit ausdrücklich vor, sodass § 309 Nr. 13 BGB hier nicht anzuwenden ist.

Fraglich ist, ob die neue Regelung auch dann zu beachten ist, wenn ein vor dem 01. Oktober 2016 geschlossener Arbeitsvertrag jetzt einvernehmlich geändert wird. Da jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Gerichte den modifizierten Vertrag einem Neuvertrag gleichsetzen, kann man nur dringend dazu raten, die Gesetzesänderung auch hierbei entsprechend zu berücksichtigen und die notwendigen Klauseln anzupassen.

Fazit

Unternehmen, die sich mit ihren Angeboten nicht ausschließlich an andere Unternehmen, sondern auch an Verbraucher richten, sollten unbedingt ihre gesamte Vertragsgestaltung überprüfen – denn man kann davon ausgehen, dass alle ihre Verträge, die zur mehrfachen Verwendung vorgesehen sind, den AGB-rechtlichen Regelungen unterliegen und somit nicht mehr die Schriftform fordern dürfen. So mag man beispielsweise an Gewährleistungs- oder Garantieanzeigen denken, die häufig Klauseln enthalten, dass beispielsweise Mängel schriftlich angezeigt werden müssen. Auch Fernabsatzverträge oder Datenschutzerklärungen im Internet dürfen beispielsweise für Kündigungen oder Widerrufserklärungen keine strengeren Formen als die Textform mehr vorsehen.

Es wird sicherlich nicht lange dauern, bis sich findige Anwälte auf die Abmahnung solcher gesetzeswidrigen AGB oder Vertragsklauseln stürzen, sodass dringend angeraten wird, das eigene Vertragswerk umgehend kritisch zu überprüfen oder überprüfen zu lassen.

Immerhin müssen Altverträge nicht korrigiert werden, denn nach der zum Gesetz erlassenen Überleitungsvorschrift gilt die Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB erst für Schuldverhältnisse, die nach dem 1. Oktober 2016 entstanden sind (Art. 229 § 37 BGBEG).

Literatur

Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, in: Bundesgesetzblatt Teil I, 2016 Nr. 8 vom 23. Februar 2016, S. 233, online unter www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_ BGBl&jumpTo=bgbl116s0233.pdf

https://www.bgbl.de/?&action=auth&cause=&src=https%253A%252F%252Fwww.bgbl.de%252Fxaver%252Fbgbl%252Fstart.xav%253Fstartbk%253DBundesanzeiger_[2] Deutscher Bundestag, Gesetzgebung zum Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge (DIP) ID 18-65144, http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP18/651/65144.html