Nicht nur die Global Player können Opfer sein – auch jedes dritte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland war in der Vergangenheit schon von Wirtschaftsspionage oder Konkurrenzausspähung betroffen, von einem Verdacht auf einen Angriffsversuch berichtete sogar jedes zweite Unternehmen. Täter können ausländische Staaten, Wettbewerber oder die eigenen Mitarbeiter sein. Zwanzig Prozent der Unternehmen haben keine Strategien zur Entdeckung oder Abwehr von Angriffen auf ihr Know-how entwickelt und wären auf einen solchen Fall nicht vorbereitet. Das sind einige der Ergebnisse des Forschungsprojekts „Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung in Deutschland und Europa“ (WISKOS), das ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht (MPICC) und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) gemeinsam mit dem BKA und weiteren Partnern durchgeführt hat.
Zusätzlich sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, so das BKA. Die Bedrohung bestehe gleichermaßen von innen, etwa durch unzufriedene oder ehemalige Mitarbeiter, wie von außen, etwa durch Cyberspionage. „Die Ergebnisse unserer Befragungen zeigen, dass sich kein Unternehmen sicher fühlen kann. Es kann alle Branchen und allen Unternehmensgrößenklassen treffen“, erklärt Dr. Esther Bollhöfer, die am Fraunhofer ISI für das Projekt verantwortlich war.
Dennoch fehle es gerade bei den kleinen Unternehmen an Präventionsstrategien: Jedes fünfte Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten gab an, keine Strategie gegen physische Spionage zu haben, und auch nur wenige mehr verfügen über ein Präventionskonzept gegen Cyberspionage. Erschwerend komme hinzu, dass sich viele Unternehmen scheuen, sich bei einem Spionage-Verdacht externe Unterstützung zu suchen. „Es gibt bislang keine Standard-Vorgehensweise. Es herrscht in den Unternehmen eher große Unsicherheit beim Thema Spionage mit einem doppelten Dunkelfeld“, sagt Werner Heyer vom LKA Baden-Württemberg.
Grundsätzlich können sich die Betriebe eine Kooperation mit den Behörden gut vorstellen, so die Untersuchung – klare Zuständigkeiten und ein vertrauensvolles Verhältnis vorausgesetzt. „Gegenseitiges Vertrauen entsteht vor allem durch Kommunikation und Kooperation. Bestehende Zusammenarbeitsplattformen zwischen Polizei und Unternehmen sind daher zu stärken und auszubauen. Auf diese Weise entstehen Kooperationsstrukturen und -mechanismen, die im Schadensfall ein schnelles und vertrauensvolles Handeln und Zusammenwirken ermöglichen“, erläutert Albert Märkl, Leiter des Kriminalistischen Instituts des BKA. „Denn Strafverfolgungsbehörden können nur dann erfolgreich arbeiten, wenn sie schnellstmöglich Kenntnis von den Schadensfällen erhalten.“
Materialien inklusive Handlungsleitfäden sowie weitere Informationen unter http://wiskos.de und auf der BKA-Webseite unter www.bka.de/WISKOS.
Das WISKOS-Projekt im Überblick:
Im Projekt WISKOS wurden neben einem Vergleich der Rechtslage in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie der Schweiz (Modul 1) in einer Mehrebenen-Evaluation das Hellfeld (Modul 2) und das Dunkelfeld (Modul 3) unter anderem im Hinblick auf Konsequenzen von Angriffen für KMU, Verdachtsfaktoren sowie potentielle Täter und ihre Modi Operandi analysiert, um auf dieser Grundlage innerbetriebliche Präventions- und Verfolgungsstrategien zu entwickeln. Modul 1: Länder-Screening - Landesberichte aus allen 28 EU-Mitgliedsstaaten und der Schweiz zu den rechtlichen Regelungen, dem verfahrensrechtlichen Rahmen und statistischen Basisdaten; Modul 2: Mehrebenen-Evaluation - Literatur- und Dokumentenanalyse, Strafaktenanalyse (n=713 Strafakten zu Fällen der Konkurrenzausspähung aus Deutschland), Exemplarische Fallstudien (n=50 Fallstudien aus Bulgarien, Dänemark, Österreich, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich), Experteninterviews (n=62 mit Vertretern von Behörden, KMU, Kammern, Verbänden, Wissenschaftsorganisationen in Deutschland sowie Bulgarien, Dänemark, Österreich, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich); Modul 3: Dunkelfeldbefragung - Erhebung Modernisierung der Produktion 2015 (n= 1.282 Betriebe), Erhebung bei produzierenden Betrieben und industrienahen Dienstleistern bis zu 250 Mitarbeiter 2017 (n=583 Betriebe)