Im Streit um die datenschutzrechtliche Bewertung von Facebook-"Fanpages" und eingebettenen "Like-Buttons" will das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) Schleswig-Holstein weitere Schritte einleiten, um Rechtsklarheit herbeizuführen. Mitte August hatte die Aufsichtsbehörde alle Stellen in Schleswig-Holstein aufgefordert, ihre eventuell bei Facebook vorhandenen Fanpages zu löschen und "Like-Buttons" von ihren Webseiten zu entfernen, da die mit diesen Diensten verbundene Erfassung und Übermittlung von Nutzerdaten nicht mit dem Datenschutzrecht in Einklang stehe (vgl. <kes> 2011#5, S. 64). Für professionelle Anwender bedeutet der Streit ein nicht zu unterschätzendes Compliance-Risiko, zumal das ULD auch "weitergehende Maßnahmen" bis hin zu Untersagungsverfügungen und Bußgeldverfahren angedroht hatte, wobei es allerdings betont, "dass die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Opportunität strikt beachtet werden" sollen.
Exemplarisch könnte nun die Klärung der Rechtslage anhand der Fanpage der Schleswig-Holsteinischen Staatskanzlei erfolgen, die sich der Aufforderung des ULD zur Löschung ihrer Facebookseite verschließt und diese – um einen Warnhinweis ergänzt – weiterbetreiben will. In einer Pressemitteilung des ULD hieß es: "Nicht überraschend, aber enttäuschend ist für das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) die Mitteilung des Chefs der Staatskanzlei des Landes, dass diese ihre Fanpage bei Facebook nicht abschalten will. In einem Gespräch am 6. Oktober 2011 war das Beharren auf Facebook angekündigt worden." ULD-Leiter Dr. Thilo Weichert bedauerte insbesondere, dass hier ein Ministerpräsident und seine Staatskanzlei als schlechtes Vorbild für andere öffentliche und private Stellen agieren würde. Diese Kritik wertete wiederum Staatssekretär Dr. Arne Wulff, der Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein, in einer Pressemitteilung seines Hauses als "zunehmende Vermischung dienstlicher Aufgaben mit privaten Anschauungen".
Das ULD will nun die Rückläufe aus der förmlichen Anhörung der Seitenbetreiber prüfen und daraus noch in dieser Woche Konsequenzen ziehen – "hinsichtlich der Staatskanzlei wird an einer Beanstandung nach § 42 Abs. 2 Landesdatenschutzgesetz kein Weg vorbei gehen", hieß es seitens des ULD weiter. Nachfolgende Gespräche sollen dann klären, wie Rechtsklarheit verbindlich gerichtlich hergestellt werden könne.
Rückendeckung für seinen Vorstoß gegen die Facebook-Dienste hatte Weichert unter anderem von der 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder erhalten, die in einer Entschließung festgestellt hat, "dass die direkte Einbindung von Social-Plugins beispielsweise von Facebook, Google+, Twitter und anderen Plattformbetreibern in die Webseiten deutscher Anbieter ohne hinreichende Information der Internet-Nutzenden und ohne Einräumung eines Wahlrechtes nicht mit deutschen und europäischen Datenschutzstandards in Einklang steht". Dementsprechend hat auch die Konferenz alle öffentlichen Stellen aufgefordert, von der Nutzung entsprechender Plug-ins abzusehen und empfohlen: "Unbeschadet der rechtlichen Verantwortung sollten die öffentlichen Stellen auf solchen Plattformen keine Profilseiten oder Fanpages einrichten."
Gespräche mit Facebook selbst scheinen bislang wenig hilfreich verlaufen zu sein – inklusive eines "Expertengesprächs" in einem Bundestagsunterausschuss im Oktober. Zwischenzeitlich machten sogar Überlegungen die Runde, dass Facebook womöglich für Nutzer in Schleswig-Hostein oder auch ganz Deutschland eine Sonderregelung einrichten könnte, um die streitbare Aufsichtsbehörde zufriedenzustellen. Medienberichten zufolge kommentierte die für den Verbraucherschutz zuständige Bundesministerin Ilse Aigner diese Ideen gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung mit: "Es wäre absurd, wenn ein globaler Internetkonzern regionale Sonderregelungen für einzelne Bundesländer machen würde. Ich erwarte von Facebook, dass der Datenschutz für alle Nutzer in Europa verbessert wird."
Das Bundesverbraucherministerium steht seiner Website zufolge "in Kontakt mit dem Unternehmen, um weitere Informationen über die Erhebung und Verwendung persönlicher Nutzerdaten zu erlangen". Im übrigen teilt das Ministerium in vielen Fällen die Rechtsauffassung des ULD und sieht neben Facebook ebenfalls die Betreiber von Fanpages oder Webseiten mit den umstrittenen Plug-ins in der Pflicht: "Aus Sicht des Bundesverbraucherministeriums sollte der 'Gefällt mir'-Button von Facebook bis zu einer datenschutzkonformen Lösung der Problematik nicht mehr auf Internetseiten von Behörden oder Unternehmen eingebunden werden. Auch sind Facebook-'Fanpages' konsequent abzuschalten, weil ihre Verwendung offensichtlich gegen deutsches und europäisches Datenschutz- und Telemedienrecht verstößt."
Fragezeichen hatte indes eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aufgeworfen, die zwar ebenfalls zum Schluss kam, dass "an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit dieser Anwendungen erhebliche rechtliche Zweifel" bestehen, aber dennoch betont: "Aufgrund der komplexen und unübersichtlichen Rechtslage sowie der Schwierigkeit einer zutreffenden Einordnung der technischen Abläufe ist eine abschließende datenschutzrechtliche Bewertung aus hiesiger Sicht ... nicht möglich." Die Ausarbeitung kritisierte: "Das Gutachten des ULD übergeht an einigen Stellen bestehende Streitigkeiten zur Beantwortung datenschutzrechtlicher Fragestellungen. Zudem ist die rechtliche Bewertung teilweise lückenhaft und nicht durchgängig nachvollziehbar. ... Im Übrigen geht das ULD in seiner Beurteilung überwiegend von vertretbaren Rechtsauffassungen aus, jedoch ist der durch das ULD erweckte Eindruck, die untersuchten Sachverhalte würden eindeutig gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen, unzutreffend. Vielmehr ist das geltende Datenschutzrecht von Unsicherheiten geprägt und macht die eindeutige Beantwortung rechtlicher Fragen in diesem Bereich schwer. ... Es kann daher keine abschließende Empfehlung hinsichtlich einer Entfernung der durch das ULD als datenschutzrechtlich unzulässig bewerteten Angebote gegeben werden."